Plötzlich einsetzender Schneefall und glatte Straßen begleiteten unser erstes Treffen 2018. Trotzdem fanden rund 20 Patienten und Angehörige den Weg zu unserem Tagungsort in Stuttgart-Möhringen. Auf eine Anregung aus dem Patientenkreis hin, widmeten wir uns an dem Samstagnachmittag dem umfangreichen und aktuellen Thema der Pflegeversicherung. Durch die Reform des „Pflegestärkungsgesetzes“ wuchs die Zahl der Anspruchsberechtigten, wurden die Rechte all jener ausgeweitet, die zwar körperlich, aber nicht mehr geistig fit sind. Nach dem Statistischen Bundesamt sind gegenwärtig 2,9 Mio. Menschen pflegebedürftig, wovon 2,0 Mio. zuhause versorgt werden, zumeist von Frauen, die in Beruf (und Rente) dafür zurückstecken und mit der Pflege zudem oft überfordert sind. Über bestehende Erleichterungen oder Fördermöglichkeiten werden sie von den zuständigen Stellen nicht oder nur unzureichend informiert.
Mit Frau Birgit Riethmüller hatten wir eine Frau vom Fach eingeladen, die zudem über eine langjährige Erfahrung verfügt – zunächst als Mitarbeiterin bei einer Krankenkasse, danach als selbstständige Pflegeberaterin im Pflegeversicherungsrecht. Mit anschaulichen Beispielen aus der Praxis erläuterte sie die Änderungen seit der Anfang 2017 eingeleiteten Reform der Pflege. Die bisherigen Schweregrade (3) wurden in nach Punkten gegliederte Pflegestufen (5) überführt.
Diese werden anhand der folgenden „Pflegemodule“ ermittelt:
– Wie mobil ist der Patient?
– Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
– Liegen psychische Probleme vor?
– Kann der Patient sich selbst versorgen?
– Bewältigung und Umgang mit der Krankheit und Therapie
– Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte, außerhäusliche Aktivitäten
Die Module werden unterschiedlich gewertet, der Punkt 1 (Mobilität) wird mit 10%, Punkt 4 (Selbstversorgung) hingegen mit 40% bewertet. Die ermittelte Punktezahl in den einzelnen Modulen führt zu der letztlichen Gesamtbewertung der Pflegestufe. So ist die Stufe 1 mit 12,5 bis 27 Punkte, die Stufe 3 mit 47 – 70 Punkten und 5, die schwerste Beeinträchtigung mit besonderen Anforderungen an die Pflege, mit über 90 Punkten klassifiziert.
Den Auftakt zu dem gesamten Verfahren macht die Antragstellung durch den Pflegebedürftigen bei der Krankenkasse als Träger der Pflegeversicherung – auch hier gilt es einige Dinge zu beachten. Die Begutachtung und Befunderhebung obliegt dann dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) oder – bei Privatversicherten – Medicproof. Dies geschieht anhand der eingereichten Unterlagen oder bei einem Besuch des Gutachters. Verschiedenste, auch unscheinbare Aspekte können dabei in die Bewertung mit einfließen: vom festen Händedruck, über Probleme mit inneren oder äußeren Organen, Schwindel, hoher Blutdruck, Psyche bis hin zu Leistungen des Gedächtnisses und Vergesslichkeit.
Frau Riethmüller wies in dem Zusammenhang darauf hin, dass der anwesende Ehepartner bei der Begutachtung eine nützliche Hilfe ist: Er beurteilt die Möglichkeiten und Einschränkungen weit besser und kritischer als es der Betroffene selbst kann. Die eigene Eitelkeit sowie Selbstüberschätzung ist immer ein schlechter Ratgeber. Anhand zahlreicher Beispiele aus der Praxis verdeutlichte Frau Riethmüller ihre Erfahrung.
Weitere Themen waren das Bewerten des ergangenen Bescheids. Ist ein Widerspruch angebracht? Erfolgte z.B. die Ablehnung eines Antrags mit oder ohne Rechtshilfebelehrung? Und welche Konsequenzen hat dies für den weiteren Verfahrensweg bis hin zur Klage vor dem Sozialgericht?
Sonstige Fördermöglichkeiten wie die Verhinderungspflege, Soziale Absicherung der Pflegeperson, Kurzzeitpflege bis hin zu behindertengerechten Umbauten im Bad oder der Wohnung überhaupt waren weitere Themen.
Die Zeit verging wie im Flug. Zahlreiche Wortmeldungen, eigene Beispiele der PH-Patienten machten mit dem sehr gut strukturierten, lebendigen Vortrag von Frau Riethmüller einen sehr gelungen Themennachmittag. Bei Kaffee und Kuchen wurde noch ausgiebig über das Thema (und Anderes) gesprochen. Und schließlich hatte auch das Wetter ein Einsehen und sorgte für ein gutes Nachhausekommen.
Klaus Konz
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